Lieferketten-Richtlinie der EU kommt
Kompromiss mit indirekten Folgen
Das monatelange Tauziehen um die Lieferketten-Richtlinie der EU endete mit einem Kompromiss, dem schließlich auch Frankreich und Italien im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) zustimmen konnten. Der entschärfte Entwurf hat jetzt alle EU-Instanzen durchlaufen. Auch wenn die Gießereien nicht mehr direkt betroffen sind – der BDG hat gute Gründe, die jetzt anstehende Umsetzung in nationales Recht weiterhin zu beobachten.
Das Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der EU will die Weltwirtschaft fairer und umweltfreundlicher machen, indem es Unternehmen dazu verpflichtet, mögliche Risiken in ihrer Lieferkette aktiv zu identifizieren, zu überwachen und anzusprechen – und ggf. auch zu haften. Der erste Gesetzesentwurf erschien einigen Mitgliedsstaaten jedoch nicht genügend durchdacht; kritische Stimmen aus der Wirtschaft fürchteten um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa. Am 24. Mai 2024 haben die Minister der EU-Mitgliedstaaten für Binnenmarkt und Industriepolitik den entschärften Kompromiss, auf den sich der AStV bereits am 15. März 2024 bei Enthaltung Deutschlands einigen konnte, endgültig verabschiedet. Nach dieser Zustimmung des sogenannten Wettbewerbsrats wird die Richtlinie jetzt im Amtsblatt veröffentlicht und tritt in Kraft.
Der BDG konzentrierte sich in der komplexen Gemengelage auf die Interessen der Gießerei-Industrie. Den Verband alarmierte vor allem zweierlei: Die Gießereien hätten zu dem Hochrisikosektor gezählt und in diesem Sektor wäre die Grenze bei den Beschäftigten auf 250 reduziert worden. So der ursprüngliche Entwurf vom 14. Dezember 2023. In der nun verabschiedeten Fassung wurde der Begriff der Risikosektoren entfernt und der Anwendungsbereich reduziert. Das CSDDD soll sich nun stufenweise erweitern. Nach einer Übergangsfrist von drei Jahren gilt es für Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 1,5 Mrd. Euro weltweit, nach vier Jahren für Unternehmen mit mehr als 4000 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 900 Mio. Euro und nach fünf Jahren für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und einem Umsatz von mindestens 450 Mio. Euro.
Damit betrifft das CSDDD nunmehr weniger Unternehmen als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Zur Erinnerung: Das LkSG legt seinen Anwendungsbereich derzeit ausschließlich anhand der Mitarbeiteranzahl des Unternehmens fest. Seit 2024 liegt der Schwellenwert bei 1000 Mitarbeitern ohne Umsatzbeschränkungen. Die Einführung der Umsatzbeschränkungen durch das CSDDD reduziert die betroffenen Unternehmen. Geschätzt ein Drittel der unter das LkSG fallenden Firmen fallen nicht unter das CSDDD. Wenn das CSDDD in nationales Recht überführt worden ist – im Klartext: wenn das deutsche LkSG an das europäische CSDDD angepasst worden ist – könnte somit so manche Gießerei davon profitieren.
Es gibt also durchaus Grund zur Freude: Die Gießereien sind zunächst nicht direkt betroffen und die Übergangsfristen von fünf Jahren geben ihnen Zeit, ihre Lieferkette frühzeitig zu diversifizieren. Denn auch wenn die Branche überwiegend aus kleinen und mittelständischen Unternehmen besteht, könnten ihre Zulieferer, Rohstoffhändler und Kunden vom CSDDD erfasst werden, die ihre zusätzlichen Kosten an sie weitergeben oder eine Einhaltung der CSDDD-Berichtspflichten verlangen. Es sind jedoch vor allem die im CSDDD verankerten Haftungsregeln für Verstöße entlang der Lieferketten, die ein erhebliches Geschäftsrisiko für die Gießerei-Industrie darstellen könnten – auch und gerade für größere Unternehmen der Branche. Das und ein zu erwartendes Mehr an Bürokratie sind für den BDG Grund genug, die Entwicklung in puncto CSDDD weiterhin zu beobachten.
Nachtrag kurz vor Redaktionsschluss: Am 10. Juni 2024 haben der BDG und Partnerverbände einen gleichlautenden Brief an fünf Bundesminister gesendet, in dem sie auf die Doppelstruktur aus deutschem und europäischem Regelwerk und die damit verbundene überbordende Bürokratie hinweisen. Sie fordern darin, das deutsche LkSG bis zum Beginn des CSDDD auszusetzen – ebenso wie Robert Habeck wenige Tage vorher auf dem Tag der Familienunternehmen in Berlin. Details auf www.guss.de