
Rück- und Ausblick auf die Energiepolitik
Lektion verstanden?
Wort halten!
Nach zahlreichen politischen Kurzschluss-Reaktionen, die die Energieversorgung meist nur teuer machten, scheint nach der Bundestagswahl die Sicherung des Industriestandortes im Vordergrund auch der Politik zu stehen – jedenfalls, wenn man den erklärten Absichten der politischen Entscheider folgt. Für den BDG ist das Auftrag und Motivation, weiterhin die Belange der Branche in den Vordergrund zu rücken.
Die Ziele zur Erreichung der Klimaneutralität für die EU (2050) und für Deutschland (2045) werden (noch) nicht in Frage gestellt. Vermehrt wird besonders seit Beginn des Jahres 2025 jedoch auf EU- und nationaler Ebene ein immer größeres „Aber“ formuliert. Vor allem geopolitische Spannungen und Umwälzungen haben das Thema Transformation vielleicht nicht verdrängt, setzen es aber immer stärker unter Druck. Verbänden und Unternehmen ist es gelungen, Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschlands und Europa gleichwertig neben das Thema Transformation zu platzieren.
Dennoch: Die Probleme der wegbrechenden Wettbewerbsfähigkeit, der fehlenden Planungsperspektive, der fehlenden Infrastruktur, der Versorgungsunsicherheit und der für Mittelständler kaum erreichbaren Förderinstrumente sind nicht gelöst. Die Ansprache- und Informationsaktionen des BDG und seiner Bündnisse haben im letzten Jahr jedoch dazu geführt, dass die Wichtigkeit und die Gefährdung gerade des industriellen Mittelstandes in der Öffentlichkeit und seiner Entscheider besser wahrgenommen werden als jemals zuvor. Unterstützt wurde der BDG dabei von seinen Mitgliedern, die sich von der Passivität der politischen Ansprechpartner nicht frustrieren ließen. Sichtbarster Beleg dafür ist der explizite Hinweis auf die Gießereien Baumgarte und Tweer im Bundestag.
Der BDG unterstützte die Verbreitung des Industriemanifests, das er im Rahmen des Verbändebündnisses Bündnis faire Energiewende, erstellte, durch ein Erklärvideo sowie Zitate von Geschäftsführern der Partnerverbände, die auf den LinkedIn-Kanälen der Partnerverbände ausgespielt wurden.
Vor allem die enormen Kosten der Energiewende haben mittlerweile zur politischen Einsicht geführt, dass die De-Fossilisierung der Energieversorgung nicht mehr dem Prinzip „Whatever-it-takes“ folgen kann. Symptomatisch dafür ist die ungewöhnliche breite Pressereaktion auf die vom BDG mitgestaltete BDI-Studie „Energiewende auf Kurs bringen“ aus dem März 2025, die bei der Transformation Kostensenkungspotenziale von mehreren hundert Milliarden aufzeigte. Der BDG vertrat bei der Erarbeitung der Broschüre besonders die Position des industriellen Mittelstands (ein Blick hinter die Kulissen im BDG report 03-2024 ab S. 23).
Im Bereich der Kostensenkungen, gibt es inzwischen zahlreiche diskussionswürdige Vorschläge, von der Übernahme von Netznutzungsentgelten durch den Staatshaushalt über die Einbeziehung der Kraftwerksreserve auch zur Vermeidung von Preisspitzen oder das Aussetzen von CO2-Preisen. Auf nationaler Ebene haben die jüngsten, extrem schnell entschiedenen Verfassungsänderungen zumindest die finanziellen Spielräume maßgeblich erweitert. Unter anderem ist der Klima-Transformations-Fond um 100 Mrd. Euro aufgestockt worden.
Bewegung ist also zumindest da. Der erweiterte finanzielle Spielraum muss sinnvoll, technologieoffen und „ideologiefrei“ eingesetzt werden. Alle energiepolitischen Maßnahmen müssen sich letztlich am Ergebnis messen lassen: Sichere Versorgung mit wettbewerbsfähigen Energiepreisen. Nur damit können Investitionen geplant werden.
Die neue Bundesregierung muss erst noch beweisen, dass sie die notwendige Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik leisten kann. Strukturelle Veränderungen der schwierigen Rahmenbedingungen stehen noch aus. Dabei ist den „etablierten Regierungsparteien“ durchaus klar, dass sie Ergebnisse liefern müssen, um nicht in vier Jahren vom politischen Rand erdrückt zu werden. Aufgabe des Verbands wird es sein, weiterhin die Leitplanken für die Gießerei-Industrie und den industriellen energieintensiven Mittelstand einzufordern, damit die politische Arbeit in die richtige Richtung geht.
Auf EU-Ebene soll der im März 2025 vorgestellte „Clean Industrial Deal“ den „Green Deal“ vielleicht nicht ersetzen, rückt aber das erste Mal seit Jahrzehnten den Erhalt des Industriestandortes in den Vordergrund. Auch auf europäischer Ebene wurde also erkannt, dass es Zeit ist, zu handeln und dabei vor allem festgefahrene Strukturen zu verändern. Denn noch vor den dringend notwendigen Investitionen in Sicherheit, marode Infrastrukturen und Digitalisierung werden Überregulierung und die ständig wachsende Bürokratie nicht nur in der Branche, sondern auch in weiten Teilen der Wissenschaft als Hauptproblem des Standortes gesehen. Damit geht auch die europäische Politik einen Schritt in die richtige Richtung, muss aber erst noch beweisen, ob sie den Weg konsequent weiter beschreiten wird.
Für die politische Arbeit des BDG heißt das, weiterhin auf die effektive Umsetzung des lang geforderten und von der Politik oft versprochenen Bürokratieabbaus zu drängen. Im Energiebereich wird es für den energieintensiven Mittelstand darauf ankommen, dass vor allem alle Kostenentlastungsregelungen von jährlichen Rückerstattungsanträgen mit zahlreichen Nachweisen in Richtung im Vorhinein wirkende Entlastung auf der Basis von Selbsterklärungen gelenkt werden.

Dr. Christian Schimansky
Leiter Umwelt und Energie